Mit über einer Milliarde aktiver Nutzer ist TikTok zu einer ernsthaften Konkurrenz für YouTube geworden, bei jugendlichen Altersgruppen ist die aus China stammende App sogar weiter verbreitet. Google versucht deshalb seit geraumer Zeit, mit seinem YouTube Shorts-Kanal dagegenzusteuern - dort sollen nach Vorbild TikToks kurze Clips im Hochkantformat gepostet und im Endlos-Scroll konsumiert werden. Im Gegenzug nimmt TikTok nun wiederum das Kerngeschäft von YouTube zunehmend aufs Korn.
So können auf TikTok seit diesem Jahr Clips mit einer Länge von bis zu 10 Minuten gepostet werden, was den Videodienst auch für andere Arten von Videos interessant macht als etwa die klassischen Selfie-Clips mit Tanz und Musik. Und wie TechCrunch berichtet, wird aktuell ein neues Fullscreen-Feature getestet, mit dem es einfacher werden soll, die Zuschauer dazu zu bewegen, horizontal aufgenommene Videos (also im traditionellen, breiten Seitenformat) bildschirmfüllend anzusehen. Richtig, geradezu revolutionär, denn dafür muss das Smartphone gedreht werden, was für die TikTok-Community natürlich eher ungewohnt ist, schließlich ist der Dienst quasi synonym mit Hochkantvideos.
Wie ernsthaft sich TikTok darum bemüht, weitere - seriösere - Nutzerschichten für seine Plattform zu gewinnen, zeigen zwei Kooperationen aus diesem Jahr. So trat der Videodienst im Mai als - man möchte es kaum glauben - offizieller Partner des 75. Filmfestivals in Cannes auf und trug zeitgleich einen eigenen Kurzfilmwettbewerb inkl. Grand Prix aus, deren Gewinner dann über den berühmten roten Teppich schlendern durften. "Genau wie das Festival de Cannes und das Kino ist auch TikTok ein Ort des authentischen und kreativen Ausdrucks und schafft immer neue Wege Geschichten zu erzählen", formuliert es TikTok selbst und hebt sich damit quasi auf Augenhöhe mit dem renommiertesten aller Filmfestivals.
Wie neu und kreativ die Gewinner-Clips tatsächlich ausfallen? Wir würden sagen, da ist noch gut Luft nach oben. Man kann sie auch ohne TikTok-Account im Rahmen der Pressemitteilung ansehen, denn dort sind sie eingebettet - ansonsten ist der Dienst ja (anders als YouTube) eine "gated community", wo ohne Log-in kein Zugriff auf die geposteten Videos gewährt wird.
Doch nicht nur Cannes hat dem jungen und gehypten Videodienst seine Türen geöffnet - jüngstes Beispiel ist die diesjährige Frankfurter Buchmesse, wo TikTok ebenfalls offizieller Partner war - falls es jemandem entgangen sein sollte: ja, es gibt auch eine wachsende Buch-Review-Szene auf TikTok.
Wie attraktiv TikTok für ambitionierte Filmemacher sein kann oder wird, bleibt abzwarten. Ein riesiges Publikum gibt es dort theoretisch, wenn auch eines mit eher kurzer Aufmerksamkeitsspanne.